Otto Peltzer
deutscher Leichtathlet und Weltrekordler
Geboren am 8. März 1900 in Ellernbrook-Drage (Holstein), begeisterte sich Peltzer bereits in jungen Jahren nach überstandener Kinderlähmung für den Sport. Nach Kriegsdienst 1918 Abi-tur, Ingenieur-Volontariat auf der Stettiner Vulkan-Werft und ab Herbst 1920 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Jena, Berlin und München. 1926 Promotion zum Dr. rer nat oec publ.
Zu diesem Zeitpunkt war Peltzer bereits einer der erfolgreichsten Mittelstreckler der Welt: 1925 in Budapest Weltrekord über 500 m (1:03,6), 1926 Weltrekord über 800 m (1:51,6) und 1.500 m (3:51,0). Zwei weitere Weltrekorde folgten. 1926 bis 1933 lehrte er an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf in Thüringen (Geographie, Geschichte, Biologie). In diesen Jahren (1922-1933) wurde Peltzer 15 Mal Deutscher Meister. 16 deutsche Laufrekorde weisen auf seine Ausnahmestellung in der deutschen Leichtathletik. Erst 1937 bzw. 1939 wurden seine Bestmarken über 800 m und 1.500 m von Rudolf Harbig unterboten. Seinen Weltruhm begründete er 1926 mit Siegen über den zweifachen Olympiasieger Douglas G. Lowe über 880 Yards und über Paavo Nurmi sowie Edwin Wide in Weltrekordzeit über 1.500 m.
Peltzer legte sich mehr als einmal mit den Sport-Oberen der Weimarer Republik an. In den Jahren vor der Nazizeit entstanden auch viele Aufsätze und eine Reihe von Büchern zur Trainingslehre und Sportethik. 1933 trat Peltzer in die NSDAP und in die SS ein. Seine sportpolitischen Anschauungen fanden jedoch keine Anerkennung bei der Nazi-Sportführung. Reichssportführer Hans v. Tschammer und Osten, Carl Diem und andere verhinderten seine weitere sportliche Karriere.
Er wurde aufgrund seiner internationalen Kontakte, seines Umgangs mit jüdischen Mitbürgern und seiner Eigenwilligkeit im privaten und politischen Verhalten als politisch äußerst unzuverlässig eingestuft. 1935 verhaftet, verurteilten ihn die Nazis unter dem Vorwurf der Homosexualität zu eineinhalb Jahren Gefängnis. Eine britische Intervention erzwang jedoch noch vor den Olympischen Spielen 1936 seine Freilassung, sein Urteil wurde zu einem Jahr und 10 Monaten auf Bewährung umgewandelt. 1938 ging Peltzer nach Schweden. Seine Meinungsäußerungen in schwedischen Zeitungen erregten jedoch sehr bald wieder den Unwillen der Nazi-Führung. V. Tschammer und Osten erwirkte den Entzug der Aufenthaltsgenehmigung seitens der schwedischen Behörden. 1941 wurde Peltzer von der Gestapo nach seiner erzwungenen Rückkehr verhaftet und in das KZ Mauthausen gesperrt.
Nach seiner Befreiung 1945 gelang es ihm nicht mehr, im deutschen Sport Fuß zu fassen. Zeitweilig wirkte er als Sportredakteur und Trainer in Westdeutschland. 1952 eröffnete der (westdeutsche) Leichtathletik-Verband ein Verfahren gegen ihn, weil er bei einem Sportfest in Ostberlin eine Ehrenrunde gelaufen war. Die Bielefelder Firma, in der er zu dieser Zeit angestellt war, entließ ihn daraufhin. 1956 suchte Peltzer in Australien, China, Südkorea, Japan, Iran und Malaysia nach Möglichkeiten, seine sportlichen Fähigkeiten einzubringen. Von 1957 bis 1967 lebte er in Indien und war dort u. a. als Nationaltrainer für Leichtathletik tätig. Gesundheitlich geschwächt und völlig verarmt kehrte er in die Bundesrepublik zurück und starb am 11. August 1970 in Eutin.
LAUFZEIT 6/00, Seite 6/7: Hans Joachim Teichler, Volker Kluge
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