Jüdische Remigration

Remigration bezeichnet das wieder Zurückkehren bzw. Zurückwandern aus der Emigration. Nach dem Holocaust des Zweiten Weltkrieges kamen nur wenige jüdische Emigranten wieder nach Deutschland zurück.

Spätestens nachdem die Weltöffentlichkeit vom Ausmaß des Holocausts erfuhr, war es allgemeine Erwartung, dass kein Jude je wieder deutschen Boden betreten werde. Ein Leben nach Auschwitz im Land der Täter war undenkbar. Leo Baeck, führende Persönlichkeit des deutschen Judentums, formulierte 1945: „Unser Glaube war es, dass deutscher und jüdischer Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ihre Vermählung zum Segen werden können. Dies war eine Illusion – die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für allemal vorbei“.

Vor Beginn der NS-Judenverfolgung lebten in Deutschland eine halbe Million Menschen, etwa die Hälfte von ihnen konnte bis 1939 rechtzeitig auswandern. Allein über 200.000 deutsche Juden wurden in die Vernichtungslager des Ostens deportiert. Lediglich etwa 12.000 bis 15.000 überlebten den Holocaust, weil sie mit Nichtjuden verheiratet waren und erst gegen Ende des Krieges deportiert wurden. Nur ungefähr 2.000 Juden hatten sich Dank der Unterstützung durch nichtjüdische Deutsche im Untergrund verbergen können. Die meisten deutschen Juden, die die Vernichtungslager zwar überlebt, ihre Angehörigen aber verloren hatten und deren Gemeinden zerstört waren, wollten das Land so schnell wie möglich verlassen.

Und dennoch – einige Juden begannen nach 1945 wieder nach Deutschland zurückzukehren. In den kommunistischen Ländern sahen sie keine Zukunft, zumal es vor allem in Polen bereits 1946 wieder zu antisemitischen Pogromen kam. Die restriktive Mandatspolitik Großbritanniens und die strengen Einwanderungsbedingungen der USA verhinderten zunächst eine schnelle Ausreise, bis die Gründung des Staates Israel 1948 und eine großzügige Immigrationsquote der Amerikaner zu einer Auswanderungswelle führte.

Die Zahl der Rückkehrer nach Deutschland belief sich 1959 auf 12.500, d.h., nur jeder zwanzigste Emigrant entschloss sich zur Remigration. Anfang der 1980er Jahre zählte die Bundesrepublik etwa 30.000 jüdische Gemeindemitglieder. Prominente jüdische Persönlichkeiten wie Ernst Bloch, Hanns Eisler, Anna Seghers oder Stefan Zweig, die sich bewusst für die DDR und den dortigen Aufbau eines sozialistischen Staates entschieden, vergrößerten die Zahl der Remigranten in Ostdeutschland.

Heute leben wieder etwa 75.000 Juden in Deutschland, da die Einwanderung aus den GUS-Staaten ihre Zahl seit der Vereinigung mehr als verdoppelt hat. Auch wenn diese Zahl nicht mit der der jüdischen Einwohner Deutschlands vor dem Krieg zu vergleichen ist, führt diese Entwicklung zur erwünschten Revitalisierung der überalterten jüdischen Gemeinden, die sich vor die Aufgabe gestellt sehen, den neuen jüdischen Generationen Tradition und Glauben der Väter zu vermitteln.

Duden. Die Deutsche Rechtschreibung, Mannheim 2000
Brumlik, Micha (Hg.): Jüdisches Leben in Deutschland seit 1945, Frankfurt/M. 1988, S. 14
Fritz Bauer Institut (Hrgs.): Überlebt und unterwegs. Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland, Frankfurt/M. 1997, S. 35