Flüchtlingstreck in Ostdeutschland, 1945

  

Flüchtlinge aus den "Ostgebieten"

Mit Vormarsch der Roten Armee verließen 14 Millionen Deutsche seit Ende 1944 in großen Flüchtlingsströmen ihre Heimat, die Ostgebiete des Deutschen Reiches in Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg und Sachsen Richtung Westen.

1944 bis 1949 wurde die Bevölkerung der Gebiete östlich der Oder-Neiße durch Flucht, Vertreibung und Neuansiedelung von Polen, Ukrainern und Russen fast vollständig ausgetauscht. Nach Einmarsch der Roten Armee war es in Ostpreußen Oktober 1944 zu schlimmsten Übergriffen auf die dortige Bevölkerung gekommen. Die expansionistische Siedlungspolitik unter dem NS-Regime entlud sich jetzt gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung. Zerstörung war die Antwort auf die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten. Mit willkürlichen Übergriffen, Mord, Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Enteignungen trafen die verhassten Deutschen mit ganzer Härte die Rache der Sieger. Der stetige Vormarsch der Sowjets einhergehend mit diesen Berichten führte ab Oktober 1944 zu gewaltigen „wilden“ Flüchtlingstrecks, die sich ins Innere des Reiches zurückzogen. Schlecht ausgerüstet, ohne ausreichende Lebensmittel und der vorrückenden Front hilflos ausgeliefert, begaben sich die deutschen Flüchtlinge auf einen Leidenszug quer durch das zerstörte Land. Hunderttausende von ihnen verloren unterwegs vor Hunger, Kälte und Gewalt ihr Leben.

Als Anfang 1945 die Rote Armee Ostpreußen vom Rest des Reiches abschnitt, floh die dortige Bevölkerung über die gefrorene Ostsee. Etwa drei Millionen gelang die Flucht nach Kiel, Lübeck oder Dänemark. Doch viele der sich in den Häfen verzweifelt drängenden Flüchtlinge schafften es nicht auf eines der wenigen Transportschiffe wie das ehemalige Kreuzfahrtschiff "Wilhelm Gustloff", das am 30. Januar 1945 mit über 10.000 Flüchtlingen und verwundeten Soldaten an Bord von sowjetischen Torpedos getroffen wurde. Über 9300 Menschen ertranken und erfroren im Eiswasser der Ostsee, nur 1239 Passagiere konnten gerettet werden: Der Untergang der "Wilhelm Gustloff" wurde die größte Schiffskatastrophe der Menschheit. Viele Flüchtlingstrecks versuchten auch über das zugefrorene Frische Haff zu fliehen – eines der dramatischsten Kapitel der deutschen Fluchtgeschichte. Durch Eiswasser watend, jederzeit bedroht von unsichtbaren Bombentrichtern und beschossen von sowjetischen Fliegern, brachen zahlreiche Fuhrwerke in das brüchige Eis ein, die Menschen ertranken und erfroren oder erlagen ihren Verwundungen.

Die gewaltigen Flüchtlingsströme verliefen quer durch das zerstörte Deutschland und trafen auf Menschen, die durch die Bombenangriffe selbst kaum über das Nötigste zum Leben verfügten. Daher waren sie nicht willkommen. Viele mussten jahrelang in Auffanglagern leben, ehe es Wohn- und Lebensraum für sie gab. Neben den Strapazen der Flucht und dem Verlust der Heimat traf sie das Los des sozialen Abstiegs durch den totalen materiellen Verlusts. Insgesamt wurden etwa 13 Millionen Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten vertrieben, die von Deutschland abgetrennt und bereits Frühsommer 1945 der polnischen Verwaltung unterstellt wurden. Die umgekehrt hier Neuangesiedelten waren selbst Flüchtlinge, die aufgrund der Westverschiebung Polens nun weiter westwärts angesiedelt wurden.

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