Ullstein
Leopold Ullstein, Dynastie-Gründer der großen jüdischen Verlegerfamilie Ullstein, begann 1877 mit einem Verlag, der sich in der Weimarer Republik zu einem der größten deutschen Presse- und Buchverlage entwickelte und durch den die Familie zur ersten Zeitungsdynastie des Kontinents und der Verlag zum ersten modernen Medienkonzern aufstieg.
Hajum Hirsch Ullstein betrieb in Fürth noch eine Papiergroßhandlung in der Nähe der dortigen Synagoge, dem "fränkischen Jerusalem". Der Sohn Leopold Ullstein (1826 - 1899) wagte den Sprung nach Berlin, wo er 1877 seine Idee verwirklichte: Er kaufte das Druckhaus Stahl und Assmann in der Zimmerstraße sowie die Berliner Zeitung und gründete den Verlag "Berliner Zeitung Leopold Ullstein". Damit wurde er Dynastie-Gründer eines der größten Verlagsimperien. Ullstein versuchte bald, die Publikumsschichten optimal zu adressieren und von den Blättern der Hauptstadt bis hin zu der auf die Provinz orientierte Berliner Abendpost anzubieten. Gleichzeitig strebte er an, die Produktionsanlagen durch den Druck von Morgen-, Mittags und Abendzeitung maximal auszulasten. Die erfolgreichsten Titel seines florierenden Ullstein-Verlages wurden die Berliner Morgenpost und die Berliner Illustrierte Zeitung. Letztere erwarb Ullstein, um sie mit neuen verlegerischen Konzepten auf den Markt zu bringen und die aktuelle Bildberichterstattung durchzusetzen, nachdem die Fotografie ab 1890 zeitungstauglich geworden war. Ullsteins populärere und weltstädtischere Blätter gewannen den Konkurrenzkampf im Berliner Zeitungskrieg dieser Jahre. Die Publikationen seines Unternehmens wenden sich besonders an das weibliche Publikum, mit Liebes- und Kriminalgeschichten wird breitflächig für Unterhaltung gesorgt und die "Amerikanisierung" des Publikumsgeschmacks vorangebracht.
Als Leopold Ullstein 1899 starb, führten seine fünf Söhne unter der Leitung von Louis Ullstein, dem zweitältesten, den Verlag weiter. Hans und Franz Ullstein übernahmen die redaktionelle Leitung, Rudolf Ullstein die technische. Hermann Ullstein wurde für das Werberessort zuständig. Das Verlagsimperium erweiterte seine breite Angebotspalette von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und Illustrierten um beispielsweise Die grüne Post, Tempo, Die Dame, Uhu u.a. Mit dem Verkauf der Berliner Zeitung am Mittag, BZ durch den neu zugelassenen Straßenverkauf schufen sie das erste Boulevardblatt Deutschlands. Damit schufen sie den ersten modernen Medienkonzern der Welt. Die Komplementierung des Zeitungsverlages durch einen Buchverlag lag nahe, den Louis Ullstein 1903 gründete. 1904 wurde der Modeverlag gegründet, 1908 erschien der reich illustrierte erste Band der "Ullstein Weltgeschichte". Mit den "Roten Ullstein Büchern" erschloß der Verlag das Billigsegment. Die politischen Kriegs- und Nachkriegswirren überstand der Verlag weitgehend unbeschadet. Mit kunstgeschichtlichen und historischen Reihen (Propyläen) und literarischen wie beispielsweise den Goethe- und Schillerausgaben u.a. enstanden die anspruchsvollen Editionen des neuen Verlagszweiges. Große Autoren wie Brecht, Tucholsky und Zuckmayer förderten durch ihre Arbeit für Ullstein die prestigeträchtigen Unternehmungen des Verlages. 1921 wird aus dem Verlag Ullstein & Co die Ullstein AG. Als 1927 die bauliche Modernisierung des Verlagshauses abgeschlossen waren, verfügte Ullstein auf dem Industriegelände in Berlin-Tempelhof über das größte Druckhaus für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher in Europa. Zu Beginn der dreißiger Jahre war der Verlag neben Hugenberg der einflussreichste Konzern im Pressesegment, bis 1934 verlegte kein Konkurrent mehr als Ullstein.
Nach der Machtergreifung begannen die Nationalsozialisten mit der Gleichschaltung der deutschen Presse. Auf Druck des Regimes sahen sich 1934 auch die fünf Söhne der jüdischen Verlegerfamilie Ullstein gezwungen, den Verlag weit unter seinem Wert zu verkaufen. Das war das Ende des großen jüdischen Verlagsimperiums. Nach dem erzwungenem Verkauf wurde der Verlag als Teil des NSDAP-Verlagskonzerns weitergeführt und 1937 wird die Ullstein AG in "Deutscher Verlag" umbenannt. Der "Deutsche Verlag" behielt seinen Namen bis 1950. Der Zwangsenteignung folgte 1935 der Tod von Hans Ullstein in Berlin und 1938 und 1939 die Emigration von Franz, Rudolf und Hermann Ullstein.
Ende des Krieges zerstörten Bomben das Verlagshaus in der Kochstraße. Aus dem Druckhaus Tempelhof wurden die noch verwendbaren Maschinen von den Sowjets requiriert. 1946 wurde der Verlag von der amerikanischen Militärregierung liquidiert. Ein Treuhänder verwaltete die Reste des ehemaligen Ullstein-Besitzes als "Verlag des Druckhauses Tempelhof Vorm. Deutscher Verlag Berlin". Parallel zum Berliner Unternehmen rief Fritz Ross, Schwiegersohn von Hans Ullstein in Wien den originären Ullstein Verlag wieder ins Leben. 1952 erfolgte die Rückgabe des Unternehmens an die Familie Ullstein, Frederick Ullstein, Sohn Hermann Ullsteins, übernahm das Buchgeschäft und leitete den Verlag bis 1959. Nach der Gründung des Ullstein Taschenbuchverlags 1953 in Frankfurt am Main bestanden die drei Standorte des Verlages bis 1959, als der Verlag Ullstein GmbH mit Sitz in Darmstadt gegründet wurde, um die Büchertransporte aus West-Berlin durch die DDR zu umgehen. 1960 zogen sich die Ullsteins der dritten Generation aus dem Unternehmen zurück und Axel Springer erwarb den Verlag, zu dessen Buchverlagsgruppe Ullstein Heyne List mit Sitz in München dieser seit 2001 gehörte. Seit 2003 gehört der Verlag zum schwedischen Medienkonzern Bonnier.
Die Zeit: Das Lexikon, Zeitverlag 2005, Bd. 15, S. 199 www.polunbi.de/inst/ullstein.html
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