Ghettoisierung der Amsterdamer Juden nach dem deutschen Einmarsch

  

Besatzung Niederlande

Während des Zweiten Weltkrieges überfiel Deutschland am 10. Mai 1940 ohne Kriegserklärung die Niederlande und besetzte das Königreich unter Verletzung seiner Neutralität (Westfeldzug). Die niederländische Besatzung dauerte vom 15. Mai 1940 bis zum 10. Mai 1945.

Dem Überfall der deutschen Wehrmacht am 10. Mai 1940 hielt die niederländische Armee nur wenige Tage stand, da sie nicht zu einer gemeinsamen Verteidigungsplanung mit den Belgiern oder Alliierten bereit gewesen und militärisch vorbereitet war. Bereits am 13. Mai 1940 flohen die niederländische Königin Wilhelmina (1880-1962) und ihr Königshaus sowie das gesamte Regierungskabinett nach London, wo dieses eine Exilregierung bildete. Angesichts der hoffnungslosen Aussicht auf alliierte Unterstützung und der Furcht, dass nach der Bombardierung von Rotterdam weiteren Städten ähnliches bevorstehen könnte, kapitulierte die Niederlande am 15. Mai 1940. Nach Jahren des entspannten Verhältnisses zu Deutschland (Erster Weltkrieg: Asyl für Wilhelm II. im niederländischen Doorn), hatte sich auch in den Niederlanden das politische Leben zunehmend radikalisiert (Gründung einer rechtsradikalen Partei unter Mussert). Die wachsenden Befürchtungen, der Nationalsozialismus würde nach 1933 auch auf die Niederlande ausstrahlen und ihre neutrale Unabhängigkeit zunehmend bedrohen, hatten sich nun bewahrheitet.

Nach einigen Tagen Militärverwaltung wurde am 25. Mai 1940 eine deutsche Zivilverwaltung über die besetzten niederländischen Gebiete bestimmt. In der zunächst noch etwas zurückhaltenden Besatzungspolitik Deutschlands (noch kein Parteiverbot, keine allgemeine Pressezensur, schnelle Rückkehr der Kriegsgefangenen) blieb die gesamte niederländische Verwaltung erhalten. Sie wurde unter das "Reichskommissariat für die Niederlande" unter Arthur Seyß-Inquart gestellt, dem vier niederländische Generalkommissare als Zivilregierung neben dem Militärbefehlshabern General Christiansen gegeben wurden.

Nachdem es im Februar 1941 in Amsterdam zu einem Streik gegen die antisemitische Politik der deutschen Verwaltung gekommen war (Anlaß: Deportation von 435 Amsterdamer Juden ins KZ Mauthausen) und somit eine Selbstnazifizierung der Niederlande nicht wie erwünscht eintrat, verschärfte Deutschland seine Besatzungspolitik. Zusammen mit der "Nationaal-Socialistische Beweging" (NSB) Musserts, die inzwischen als einzige politische Partei zugelassen war, begannen Repression und Ausschaltung der Parteien, Gewerkschaften sowie wirtschaftliche Ausbeutung und Deportation von Hunderttausenden niederländischen Zwangsarbeitern nach Deutschland. Ziel: Die Nazifizierung und Gleichschaltung des "artverwandten germanischen Landes". Mit dem Amsterdamer Pogrom 1941 waren die niederländischen Juden mit in die "Endlösung" einbezogen worden. Seit Sommer 1940 erfasst und aus dem sozialen Leben ausgegrenzt, begannen Sommer 1942 die Deportationen in deutsche Lager. Gleichzeitig wurden in den Niederlanden die KZ Westerbork und Herzogenbusch eingerichtet. Viele Juden versuchten unterzutauchen, die meisten (105 000) kamen nach Auschwitz (Anne Frank), Sobibór oder Theresienstadt. Nur etwa 5000 niederländische Juden überlebten den Holocaust.

Der niederländische Widerstand wuchs. Solidarisierungs- (mit den Juden) und Streikbewegungen in der niederländischen Bevölkerung mit Unterstützung der Linksparteien und der Kirche häuften sich. Sabotage- und Widerstandsakte führten umgekehrt zu noch härterer Besatzungspolitik und blutigen Repressalien. Umgekehrt gab es auch Kollaboration wie beispielsweise von Freiwilligen der SS-Divisionen "Nederland" und "Landstorm Nederland". Im Widerstand zur "Festung" erklärt, begannen heftige Kämpfe gegen die deutsche Besatzungsmacht, in deren Folge zum Zweck der Verteidigung (Öffnung der Schleusen) Zerstörungen großer Landesteile in Kauf genommen wurden, als es nördlich der Deltalinie zur Verteidigung der "Festung Holland" kam. Die Folge: Hungersnot und Leidenszeit für die Widerständischen zwischen September 1944, ehe die deutsche Wehrmacht am 5. Mai 1945 im Nordwestraum kapitulierte.

Die niederländische Exilregierung hatte bereits in London wichtige Schritte zum übernationalen Zusammenschluß in der Benelux unternommen: 21. Oktober 1943 Währungsunion, 5. September 1944 Zollvertrag. Am 28. Juni 1945 kehrte die Königin in die Niederlande zurück.

Bedürftig, Friedemann: Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg, München 2002, S. 350
Benz, Wolfgang (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997, S. 613
www.dhm.de/lemo/html