Sektenverfolgung

Unter der Verfolgung derer, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten oder eine Integration gar verweigerten, hatten besonders die Zeugen Jehovas zu leiden.

Sekten – Religionsgemeinschaften, die nicht wie die großen Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besaßen und nicht durch Staatskirchenverträge geschützt waren – galten im Dritten Reich als gefährlich, da sie sich nicht auf die nationalsozialistische Weltanschauung verpflichteten und sich in das totalitäre Herrschaftssystem einpassen wollten. Um eine politische Handhabe zur Verfolgung von Sekten wie den Quäkern, der Deutschen Glaubensgemeinschaft oder den Zeugen Jehovas – im Dritten Reich Ernste Bibelforscher genannt – zu erhalten, wurden sie der Ausbeutung ihrer Mitglieder, der „Volksverdummung“ sowie der Durchsetzung mit Kommunisten bezichtigt: Von der NS-Propaganda wurden sie wegen ihrer internationalen Organisation als „Schrittmacher des Weltbolschewismus“ beschimpft.

Bereits ab 1933, als die Zeugen Jehovas den deutschen Gruß verweigerten, wurden sie verboten und ihre Mitglieder in Schutzhaft genommen und verfolgt. Wie auch anderen kleineren Religionsgemeinschaften wurde ihnen jede Unterstützung entzogen, ihre Vermögen beschlagnahmt. Beiträge aus dem Ausland unterlagen der Devisenbewirtschaftung, ihre Druckschriften wurden v.a. im Krieg durch Verweigerung der Papierzuteilung eingeschränkt. Da die Zeugen Jehovas in ihrem fanatischen Pazifismus auch die allgemeine Wehrpflicht ablehnten und sich weigerten, in der deutschen Rüstungsindustrie zu arbeiten, erlitten sie im Dritten Reich ein besonders schweres Schicksal. Von den 1933 registrierten 6034 Ernsten Bibelforschern wurden 5911 verhaftet und nach dem sog. „Heimtückegesetz“ verurteilt. Über 2000 von ihnen überlebten die Haft in den Konzentrationslagern nicht und wurden zu Tode misshandelt, weil ihre Glaubensgewissheit die Nationalsozialisten besonders reizte.

Benz/ Graml/ Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 726.
Bedürftig: Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg, S. 456.