Auslieferung französischer Juden nach Deutschland
Nach der Besetzung Frankreichs begann 1942 mit Hilfe der französischen Behörden die Auslieferung der Juden Frankreichs zur Deportation an Deutschland.
Mit dem Waffenstillstand von Compiègne endete am 22. Juni 1940 der „Westfeldzug“ Deutschlands gegen Frankreich, das nun geteilt wurde: Die Nordhälfte des Landes unterstand künftig einer deutschen Militärverwaltung in Paris, Elsaß und Lothringen wurden vom Deutschen Reich annektiert und im von der Wehrmacht unbesetzten französischen Süden wurde Vichy das Hauptquartier einer neuen Regierung unter Henri Philippe Pétain. Ziel der Deutschen war es, die Wirtschaftskraft Frankreichs auf die Bedürfnisse des Deutschen Reiches einzustellen und eine Besatzungsform mit einem Minimum an militärischem und verwaltungsmäßigem Aufwand zu errichten. Dies setzte die Bereitschaft der französischen Behörden zur Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern voraus, die sich bei der Registrierung und Internierung der 145.000 Juden, die in der von Vichy regierten freien Zone lebten, durchaus kooperationsbereit zeigten.
Pétains Kollaborationsregime in Vichy setzte auf autoritär-nationalistische Werte und auf eine Politik der begrenzten Kollaboration mit Deutschland, um Frankreich einen Platz in der neuen Ordnung Europas zu sichern. Es stützte sich dabei auf eine lange antijüdische Tradition in der katholischen Bevölkerungsmehrheit und ergriff bereits erste Diskriminierungsmaßnahmen, noch bevor diese von den deutschen Besatzern verlangt wurden, wie beispielsweise mit dem Erlass eines „Judenstatut“, das Juden nach rassischen Kriterien definierte und aus ihren Berufen ausschloss. Es folgte der Ausschluss der Juden aus dem Wirtschaftsleben, die Einführung des gelben Sterns und weitere Razzien. Entrechtung von Juden sowie die Arisierung ihres Besitzes verliefen sowohl im unbesetzten wie im besetzten Teil Frankreichs schneller, als in den anderen von Deutschland besetzten west- und nordeuropäischen Ländern.
Ein weiteres Gesetz der Regierung von Vichy ermöglichte 1940 die Inhaftierung von 20.000–30.000 Juden aus der besetzten und der freien Zone Frankreichs in den Internierungslagern im Süden. März 1942 begann schließlich die Deportation der Juden in die Vernichtungslager im Osten, die bis 1944 andauerte. Ein Teil der französischen Justiz und Polizei half dabei, vorzugsweise ausländische und staatenlose Juden in der Hoffnung auszuliefern, damit viele Juden mit französischer Staatsangehörigkeit retten zu können. Juni 1942 wurden so 13.000 ausländische Juden in Paris verhaftet, ab Juli begann die Auslieferung ausländischer und auch französischer Juden aus der freien Zone an Deutschland. Dennoch überlebten drei Viertel der ausländischen Juden Frankreichs – einer der höchsten Prozentsätze an Geretteten in Europas - da es hier noch verhältnismäßig wenig Denunzianten gab.
Rund 76.100 aus Frankreich deportierte Juden fielen dem NS-Völkermord zum Opfer., weitere 3000 Juden starben in den französischen Internierungslagern. Kurt Lischka, ehemaliger Gestapochef von Köln und ab 1940 Kommandeur der Sicherheitspolizei und Hauptverantwortlicher der Gestapo in Frankreich, war dabei einer derjenigen, der als „Schreibtischtäter“ diese Deportation aus Frankreich maßgeblich mitzuverantworten hatte.
www.dhm.lemo Bedürftig: Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg, S. 166 f. Benz/ Graml/ Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 467 f.
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