Die zerstörte Synagoge in der Kölner Roonstraße

  

Novemberpogrom ("Reichskristallnacht")

reichsweite, vom NS-Regime organisierte Welle antijüdischer Ausschreitungen am 9. November 1938, die an die langjährige antijüdische Politik der Nazis anknüpfte und erheblich verschärfte

Am 7. November 1938 schoss ein polnischer Jude in Paris einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft nieder. Er wollte mit der Tat auf die verzweifelte Lage von tausenden ehemals in Deutschland lebenden polnischen Juden aufmerksam machen, die kurz zuvor in das Niemandsland zwischen Deutschland und Polen abgeschoben worden waren.

Für das NS-Regime war die Tat ein willkommener Anlass, durch einen entsprechenden Befehl an die Partei-, SA- und HJ-Dienststellen eine Welle gewalttätiger Ausschreitungen gegen Juden in Deutschland auszulösen. Die Aktion - propagandistisch als "spontane Volkswut" aufbereitet - erreichte ihren Höhepunkt in der Nacht vom 9. auf den 10. November, kurz nachdem der Botschaftsmitarbeiter seinen Verletzungen erlegen war.

Während des Pogroms wurden in Deutschland zahlreiche Synagogen sowie jüdische Geschäfte und Wohnungen niedergebrannt, geplündert und zerstört. Der irreführende und bereits von den Nationalsozialisten gebrauchte Begriff "Kristallnacht" bezieht sich auf die dabei angeblich hauptsächlich zerschlagenen teuren Glaswaren der "reichen" Juden. Bei den Ausschreitungen wurden nach offiziellen Angaben fast 100 jüdische Menschen getötet. Rund 26.000 deutsche Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt, zahlreiche weitere begingen Selbstmord.

Die Unruhen hörten zwar nach wenigen Tagen auf; jedoch folgte unmittelbar danach eine Reihe von gesetzlichen und anderen Maßnahmen, mit den die lange Jahre vorher begonnene antijüdische Politik des NS fortgesetzt wurde. Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden ("Arisierung") wurde nun abgeschlossen, der Druck zur Auswanderung weiter erhöht, und die Trennung von der deutschen Bevölkerung verschärft. Das Novemberpogrom war ein wichtiges Glied in der langen Kette nationalsozialistischer Judenverfolgungen. Spätestens mit und nach ihm wurde jede noch verbliebene Möglichkeit eines Lebens von Juden in Deutschland gänzlich zunichte gemacht.

[nach: Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, S. 291-328]